Mittwoch, 10. März 2010

These 5: Verlinken und Vernetzen (1) - Konvergenz von Inhalt und Interaktion

Die Internet-Plattform ist allen Print-Gattungen funktional überlegen. Daraus folgt: die bloße Kopie eines Printangebots kann die originären Mehrwerte von Online nicht einlösen. Auch dies erklärt, warum nach Jahren im Zeitungsmarkt der ePaper-Anteil noch immer unter 0,5% der Printausgaben liegt. Nur ein wenig besser ist bislang die Situation im Buchbereich.

Konstituierend und charakteristisch für die Ausbildung der Mediengattungen Zeitung, Zeitschrift und Buch sind die originären (durch die Körperlichkeit bedingten) Vorteile und Nachteile der Printplattform. Die tägliche Signalisierungsfunktion der Zeitung verträgt sich nicht mit der systematischen Breite und Tiefe eines Buches und umgekehrt. Dies galt Jahrhunderte lang und gilt bis heute, allerdings nur (noch) in der Printwelt. Im digitalen Onlinebereich gelten andere, neue „Gesetze“. Im Rahmen der ersten großen Digitalisierungswelle von ca. 1995 bis 2005 haben die Verlage, fixiert auf die hohe Qualität ihrer Printprodukte, auf die sie zu Recht stolz waren, übersehen, dass die der Printform immanente Qualität beim digitalen Kopieren nicht mit kopiert werden kann. Entsprechend groß war die Enttäuschung hinterher. Erst seit ca. 2005 lernen die Verlage langsam, sich vom bloßen Kopieren zu lösen und neue verlegerische Formen und Wege zu suchen. In der Regel werden dabei jedoch die nur aus der Printwelt ableitbaren (alten) Mediengattungsgrenzen nicht in Frage gestellt, sondern weiter (unreflektiert) „verteidigt“. Natürlich gibt es bereits hervorragende Ausnahmen von dieser Regel, die sich jedoch derzeit in ihren wenig beachteten Nischen sehr wohl fühlen.


Im obigen Bild habe ich die typischen originären Merkmalseigenschaften der Printgattungen verdeutlicht. Das Diagramm ist um zwei originäre Vorteile der Internet-Plattform, nämlich Verlinkung und Vernetzung, ergänzt. Die blaue Außenlinie soll zeigen, dass das Internet allen Printgattungen drastisch überlegen ist. Es gibt eine einzige Ausnahme, ein Merkmal, das im Diagramm nicht eingezeichnet ist: Die haptische Dimension. Dies ist der einzige originäre Print-Mehrwert gegenüber der digitalen Welt, so meine zugespitzte These. Und auch hier kann man ergänzen: Einige wenige Verlage haben dies bereits vor Jahren erkannt und setzen erfolgreich auf die haptische Karte.

In These 4 habe ich daran erinnert, dass die Digitalisierung nicht auf die Inhalte-Ebene beschränkt ist, sondern alle privaten und geschäftlichen Kommunikations- und Interaktions- sowie Freizeit- und Produktionsprozesse einschließt. Dies hat u.a. dazu geführt, dass zu Produktionsprozessen, die stark von Fachinformationen „gelenkt“ werden, schon früh digitale „Integrationslösungen“ (Verschmelzung von Fachinhalt und Prozess), entstanden sind. (Siehe z.B. http://knol.google.com/k/paul-gegg/zur-theorie-des-digitalen-medienwandels/2oxu40lzndsaq/1##
Im Gegensatz dazu haben im Breitenmarkt seit ca. 2005 die Social Media Networks begonnen, Massenmedieninhalte und User auf und in ihre digitalen „Kommunikations- und Interaktionsplattformen „zu ziehen“ und ihnen ein „zweites Zuhause“ oder ein digital life zu schaffen. Nach dem optimistischen Motto „wir müssen unseren Kunden mit unseren Inhalten ins Internet folgen“ beginnen mehr und mehr Verlage sich auf diesen Weg schieben zu lassen, ohne dabei zu reflektieren, dass sie auf die Strategien anderer reagieren und nicht selbst strategisch agieren.

Das Bild soll jedoch darauf aufmerksam machen, dass in der digitalen Welt Inhalt und Interaktion „verschmelzen“ (können), in einer Art und Weise, wie dies in Print nie und nimmer vorstellbar war. Es geht längst nicht mehr „nur“ um „Alles. Jederzeit. Überall“, wie die VDZ-Broschüre (beruhigend?) vermitteln möchte. Die Veränderungen greifen dramatisch weiter. Wir stehen vor dem Sprung, das VERLEGEN grundsätzlich neu erfinden zu können und zu müssen. Wenn die Verlage es nicht tun, werden es die anderen tun. Sie kennen ja die treibende Vision des ersten Internet-Jahrzehnts: „Die Informationen der Welt zu organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar zu machen“ (Google). Noch Fragen? Und die nächste Vision schickt sich an, diese noch zu toppen: "Wir wollen die Welt miteinander verbinden. Das ist unsere Mission" (Facebook).

Alle Verlagsinhalte aller Verlage können verlinkt werden und alle User können mit allen vernetzt werden. Derzeit laufen im Markt die zwei Entwicklungszweige etwas getrennt und zeitversetzt. Die Fachinformation ist im Bereich der Verlinkung der Inhalte in einigen Pionierbranchen (zum Beispiel Rechtsinformationen) schon weit fortgeschritten, die Massenmedien bzw. die Social Networks Medien dagegen im Bereich der Vernetzung. Man kann jedoch bei einigen Spezialisten bereits heute erkennen, wie radikal und weitreichend die Folgen der Verlinkung und Vernetzung von Inhalt und Prozess werden.

Für die Zukunft von Print gilt daher: reduce to the max. Für die Zukunft von Online gilt: expand to the max.








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