Mittwoch, 3. März 2010

These 1: Der Markt nutzt immer alle Medien

Dem Riepl’schem Gesetz zufolge wurde noch kein altes Medium von einem Neuen abgelöst. Na ja, mag’ ja sein. Doch richtig ist auch: kein neues Medium hat sich in der Vergangenheit so explosionsartig verbreitet, wie das Internet. Und mit dem Mobilen Internet wird dieses Wachstum nun nochmals getoppt.

Also, verlegerische Entwarnung, schrumpfen wir halt ein wenig oder ein wenig mehr mit Print und spezialisieren wir uns noch intensiver auf unser Kerngeschäft? Oder machen wir halt auch mit bei der „expand your brand“ ins Internet-Strategie, wenn das Wachstum denn so unaufhaltsam ist, der Leser sich zum User wandelt und uns lieber digital lesen möchte? Und hat uns nicht gerade Apple erklärt, dass wir jetzt mit dem iPad endlich die perfekte digitale Leseplattform für unsere alten, traditionellen, unveränderten (Print-)Inhalte haben. Für Buchinhalte bestens geeignet, auch für Zeitschriften und Tabloidformat-Zeitungen, sogar mit dem Blättern-Feeling, das wir so mögen? Wir (Verlage) müssen uns um nichts weiter kümmern, sondern nur die Daten auf die Apple-Plattform laden und unsere Erlaubnis zum Kopieren geben. Wir könn(t)en uns endlich ganz auf unser Inhaltsgeschäft konzentrieren, alles andere, Werbung, Vertrieb, Logistik, Abrechnung, erledigt freundlicherweise Apple für uns.

Schaut man genauer hin, erkennt man, dass der Medienwandel nach Mediengattung, Branche, Thema und Kundenzielgruppen deutlich unterschiedlich verlaufen ist und vermutlich weiter wird. Längst gibt es Märkte, in denen Print bereits vor Jahren vollständig durch Internet ersetzt wurde, Märkte in denen die crossmediale Print-Internet-Strategie die Richtung angibt und Märkte, in denen sich Internet nur ganz zaghaft entwickelt hat. Die richtige Strategie in diesem Möglichkeitsraum, nur Internet, nur Print oder irgendwo in der Mitte, hängt vom konkreten Einzelfall ab.

Jedoch, für die Mehrzahl der Verlage, so meine These, gilt in den nächsten Jahren die crossmediale Print-Internet-Strategie. Die Verlage müssen lernen, die Informationswünsche des Kunden in Print und Internet zu erfüllen und beides mit deutlich zurückgehenden Erlösen zu finanzieren. Erst letztere Bedingung macht die Sache verlegerisch und unternehmerisch herausfordernd.

Verlagsinhalte als die Werbeplattform schlechthin, das ist Vergangenheit. Der Konkurrenzdruck um die digitale Aufmerksamkeit (im Internet) ist drastisch größer, die Verlagsinhalte spielen hier nur noch eine Nischenrolle, bezogen auf die „Reichweiten“. Nimmt man dieses Szenario ernst, dann wird klar: herkömmliche Rezepte wie Re-engineering und Kostenoptimierung verlängern nur das Leiden. Dies geht nur mit radikal neuen Wertschöpfungsstrukturen und –prozessen. Kooperieren, Verlinken und Skalieren werden die Richtung weisen. Der viel beschworene Versuch durch die Ausweitung von Nebengeschäften, Serviceleistungen und eCommerce-Geschäften, konnte und kann in einigen Fällen neue Umsatzbereiche neben dem schrumpfenden Inhaltsgeschäft erschließen, ist aber keine Antwort darauf, das verlegerische Inhaltsgeschäft (Kerngeschäft) im Internet NEU zu erfinden. In der Mehrzahl der Fälle, verlängert es den Anpassungs- und Neuerfindungsprozess. Wer diese Verlängerung nutzt, sich auszuruhen, anstatt das Verlegen im Internet neu zu erfinden, ist nicht gut beraten.

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