Mittwoch, 3. März 2010

Internet - Das Ende der Entfernungen: 10 Meta-Thesen zum Medienwandel

Es gibt nur eine einzige Möglichkeit für ein Unternehmen sich kontinuierlich am Markt zu behaupten: die permanente Weiterentwicklung oder Erneuerung des Leistungsangebotes. Und es gibt genau zwei Handlungsmöglichkeiten dieses zu erreichen: entweder selbst neu erfinden (Innovator-Strategie) oder beim Wettbewerb abschauen (Optimierungs-Strategie), vornehm als Benchmarking bezeichnet. Welche Strategie die bessere ist, hängt vom Einzelfall ab. Letztere gilt gemeinhin als leichter und ist weit verbreitet. Erstere gilt als schwieriger und risikoreicher. Start-ups versuchen die Wachstumsvorteile des Innovators zu erschließen, traditionelle Unternehmen versuchen das Flop-Risiko des Innovators zu vermeiden und als late adopter und Optimierer ihr Glück. Beide Strategien erfordern jedoch unterschiedliche Kompetenzen, weshalb Unternehmen selten beide beherrschen und verfolgen.

Was macht die Innovator-Strategie so schwierig? Es ist die Abstraktion. Sie erfordert eine von den aktuellen, konkreten, anfassbaren Marktprodukten (und Services) losgelöste und abstrahierende Vorstellungsweise von künftigen Nutzenpotenzialen neuer Technologien und Prozesse. In unserer fachlichen Ausbildung dominiert jedoch seit Jahrzehnten das Konkrete, das Produktspezifische. Der Medienmarkt bis etwa 2000 ist geprägt von der Optimierung und Perfektion des Print-Pradadigmas. Der Medienmarkt in Deutschland ist ausdifferenziert wie nirgends auf der Welt und die Verlegerverbände geben sich große Mühe, das weitere Differenzierungspotenzial des herkömmlichen Print-Modells mit Hilfe neuer Technologien zu propagieren, warum auch immer. „Wir sind alle sehr gut ausgebildet“, sagte ich auf den Medientagen München in 2006. Ausgebildet in der Perfektion der Printmedien, egal ob Zeitung, Zeitschrift oder Buch oder welcher Unterdifferenzierungen innerhalb der Gattungen auch immer. Immer gilt: Form und Inhalt in perfekter Harmonie, die perfekte Einheit aus Inhalt und Form.

Dies ist jedoch eine große Hürde, um wirklich neues zu erfinden. Wir sehen nur, was wir bereits kennen, ruft uns die Wahrnehmungspsychologie zeit Jahrzehnten zu und Managementguru Tom Peters legt nach: „Das Denken vom Ausgangspunkt, verhindert ihren Erfolg.“ Dies ist der Grund, warum bis heute alle wesentlichen digitalen Medien-Innovationen von Unternehmen außerhalb der traditionellen Verlags- und Medienbranche angestoßen wurden. Die Etablierten tendieren immer zur Besitzstandverteidigung, oftmals bis zum eigenen Untergang, egal in welcher Branche.

Doch wie kann man Neues finden, wenn man sich vom Alten vollständig löst? Was bleibt dann noch? Wo soll man suchen, was soll man suchen, wie soll man suchen? Zurück im Klondike-Tal der Goldsucher Alaskas sagt der Innovationsforscher David Perkins und entwirft ein allgemeines Vorgehensmodell. Hintersinnig weist er jedoch darauf hin: Nur wenige sind in Alaska durch Goldfunde reich geworden, die meisten sind reich geworden, in dem sie die Goldsucher mit „Tools“ und Infrastruktur ausgerüstet haben, also zum Beispiel mit Spitzhake, Spaten, Proviant und Karten. Ihnen fällt da die Analogie zu Google & Co und den Verlagen ein? Mir auch!

In den nächsten Wochen werde ich in diesem Blog 10 Thesen zum Medienwandel vorstellen, die Ihnen vielleicht einige neue Denkanstöße bei Ihrer verlegerischen Goldsuche im Medienmarkt von Morgen helfen können. Das würde mich freuen. Vorab jedoch ein kleiner Hinweis: Entscheidend für Ihren Innovationserfolg ist nicht, ob Sie diese Thesen teilen oder nicht, entscheidend ist, dass Sie selbst für sich Thesen festlegen und sich dieser bewusst werden. Erst dann können sie Ihren Innovationsprozess auch methodologisch und strategisch steuern.

Kleines Beispiel vorab: Was verstehen Sie unter Internet? Verstehen Sie und ihre Mitarbeiter, von Ihren Kunden mal gar nicht zu sprechen, dasselbe? ist Internet für Sie zum Beispiel die Online-Ausgabe einer Zeitung oder eines Buches? Oder bedeutet für sie Internet einfach nur, so wie Tom Peters bereits im Jahr 2000 vorgeschlagen hat, das Ende der Entfernungen, das Ende der „starren“ Verbindung von Form und Inhalt, das Ende der Trennung von Inhalt und Prozess? Egal, mein Punkt an dieser Stelle ist nur: Machen Sie sich bewusst, wie stark solche impliziten Bilder Ihre Wahrnehmungsrichtung verändern. Wenn sie darüber nachdenken, wie sie Ihre (traditionelle) Print-Zeitung ins Internet portieren, gehören Sie dann zu den Goldsuchern? Oder gehören Sie zu denen, die die Goldsucher mit neuen Geschäftsmodellen unterstützen?

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