Erst in Verbindung mit einem strategischen Controlling, kann die Leistung „von außen“, unter Bezug auf die Strukturdaten des Marktumfeldes bewertet werden. Die Zielsetzung ist klar: Geschäftsführung und Eigentümer müssen beurteilen können, ob die Verlagsentwicklung, Planerfüllung hin oder her, in Bezug zum Gesamtmarkt eine Stärkung oder Schwächung der Marktstellung darstellt.
Seit gut zehn
Jahren befinden sich die Verlage in
einem nachhaltigen Strukturwandel. Die
Metatrends Digitalisierung und Medienwandel
führen zu einem kontinuierlichen Rückgang der Printverkäufe und
Printumsätze einerseits und zu einem
stetigen Wachstum der digitalen Produktangebote. Ausmaß und Tempo der Veränderung variieren
jedoch erheblich, je nach Medienkategorie und Marktsegment, und unterliegen
immer wieder neuen Impulsen aufgrund neuer technischer Innovationen. So ist
jetzt aktuell zum Beispiel davon auszugehen, dass mit dem Verschmelzen der PC-
und Tablet-Betriebssysteme (Stichwort Windows 8 und Android 4) und der neuen darauf aufbauenden Tablet-PC-Geräte-Generation
dem eBook ein zweiter und deutlich
stärkerer Wachstumsschub verliehen
wird, der endgültig dafür sorgen wird, dass der bisher marginale einstellige
eBook-Marktanteil innerhalb der nächsten Jahre auch hierzulande zweistellig
werden wird.
Schwierig abzuschätzen bleibt hierbei u.a., ob sich die Printverkäufe 1:1 in digitale Verkäufe verschieben oder die eBook-Verkäufe stärker zunehmen als die Print-Verkäufe zurückgehen oder in welchen Segmenten z.B. Hybrid-Pakete die beste Angebotsform sind, um neue Marktanteile über den Medienwandel zu gewinnen oder zumindest bestehende zu halten. Eine Vielzahl von unterschiedlichen Entwicklungen, selbst innerhalb der gleichen Marktsegmente, war in der Vergangenheit zu beobachten, was die „richtigen“ Prognosen zur Marktentwicklung weiterhin erschwert. Selbst Aussagen darüber, ob der Gesamtmarkt aus Print und Digital zusammen, weiter wachsen oder sinken wird sind heute mit einem Fragezeichen zu versehen. Probieren geht über Studieren lautete daher die Devise.
Eine Hilfestellung gibt es jedoch, die zu
wenig genutzt wird.Die kybernetische Systemanalyse hat seit vielen Jahren die Dynamik von
Veränderungsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft erforscht. Ergebnis: Veränderungen
erfolgen praktisch ausnahmslos dem Muster einer S-Kurve. Die Veränderungsrate verläuft zunächst sehr langsam, beschleunigt sich dann exponentiell, erreicht
den Wendepunkt und verlangsamt sich dann bis zum Sättigungspunkt.
Der konkrete
Verlauf der s-förmigen Veränderungskurve verläuft in jedem Marktsegment
unterschiedlich. Diesen konkreten Verlauf im eigenen Marktsegment sichtbar zu
vermachen und bezogen auf die konkreten Veränderungs-kräfte zu verstehen, ist
Aufgabe der kritischen Erfolgsfaktoren
und der strategischen Kennzahlen. Im Dataware-House der Verlage liegen
meist weit mehr Daten, als den Verlagen bewusst ist und die sie demzufolge eben
auch nicht nutzen.
Ein einfacher
Ansatz um die Entwicklung der nächsten 5 Jahre zu schätzen ist, sich die
Entwicklung der letzten 10 Jahre vor
Augen zu halten. Durch den Blick zurück erkennen Sie das Muster Ihres bisherigen Kurvenverlaufs
und können, je nach derzeitiger Lage auf der S-Kurve, den weiteren Verlauf
deutlich besser abschätzen. Durch den langen Zeitraum sind „Verzerrungen“ durch
auf Jahresebene wirkende Einzelmaßnahmen oder Sondereffekte leichter erkennbar.
Im zweiten Schritt schätzen Sie mit Hilfe Ihrer spezifischen Kundenkenntnisse ab,
inwieweit durch in den nächsten Jahren
bevorstehende technische Innovationen, zum Beispiel Windows 8,
Tablet-PC-Entwicklung, Cloud-Computing, u.a. sich die Arbeits- und
Informationsprozesse Ihrer Kunden und Zielgruppen verändern werden und in Folge
dessen sich Ihre Verlagsangebote strukturell anpassen müssen.
Welche Kennzahlen in diesem Sinne strategische Bedeutung haben ist abhängig vom jeweiligen Marktsegment und
den konkreten strategischen Zielen. Für den typischen Buch- und
Zeitschriftenverlag sollten jedoch folgende
fünf Kennzahlen stets zum Pflichtprogramm
gehören:
1.
Marktanteilsquote nach Kunden: Diese spiegelt die Attraktivität und
den Nutzen Ihres Gesamtportfolios. Sinkende Kundenzahlen sind ein Indikator für
eine schleichend abnehmende Nutzenattraktivität des Portfolios,
falsches Pricing oder Defizite in der Vertriebsarbeit. Differenziert nach
Print- und Digital-Produkten spiegelt sie den Medienwandel in Ihrem
Marktsegment wieder.
2.
Verkaufsquote je Kunde über alle Produkte, differenziert
nach Produktkategorien sowie Print und Digital: Steigende Verkaufszahlen je
Kunde deuten darauf hin, dass das Portfolio die Informationswünsche der Kunden besser und breiter (thematisch
und/oder formatmäßig) erfüllt. Wichtig ist, Veränderungen und Verschiebungen
innerhalb der einzelnen Produkt- und Themensegmente zu erkennen, weshalb diese
Quote differenziert gemessen werden muss. Sinkende Verkäufe, bei
gleichbleibender thematischer Aktualität, sind ein Indikator für falsche/fehlende Themen oder falsche/fehlende Produktformate. Auch hier werden Sie Ihren
verlags-spezifischen Medienwandel erkennen und mit der Gesamtmarktentwicklung
vergleichen können.
3.
Durchschnittspreis:
Die Entwicklung des Durchschnittspreises über alle Produkte und
differenziert nach Produktformen (Buch, Zeitschrift, eBook etc.) ist ebenfalls
ein guter Indikator für die Marktstärke
des Portfolios. Ein steigender
Durchschnittspreis bei gleichbleibenden oder steigenden Verkäufen weist darauf
hin, dass das bisherige Pricing Luft nach oben hatte. Wichtig ist, die
Preisentwicklung auch inflationsbereinigt zu analysieren. Kennzeichnend für die
letzten zehn Jahre ist für viele Marktsegmente, dass der Umsatz dank höherer
Preise gehalten werden konnte, die Verkäufe und Auflagen jedoch absolut
zurückgingen. Auch dies ist ein deutlicher Hinweis auf strukturelle Marktverschiebungen.
4.
Durchschnittsauflage: Eine über die Jahre hinweg sinkende
oder steigende Auflage spiegelt ebenfalls die Nutzenattraktivität und verschlechtert oder verbessert in der Regel
direkt die Ergebnissituation. Auch hier kann die Differenzierung nach Print und
Digital u.a. die fortschreitende Medienverschiebung sichtbar machen und einen
Hinweis auf das künftige Veränderungstempo geben.
5.
Durchschnittskosten je Produkt
(Stückkosten): Diese
Zahl ist direkt von der Durchschnittsauflage abhängig. Zurückgehende Auflagen bedeuten in der Regel
steigende Stückkosten und verschlechtern das Verlagsergebnis strukturell. Auch
hier empfiehlt sich die Differenzierung nach Produktgruppen. In Verbindung mit
Portfolioanalysen können dann gezielt Programmbereinigungen und deren
Auswirkungen auf das Verlagsergebnis berechnet werden.
Bereits mit Hilfe
dieser fünf Kennzahlen können Sie, unabhängig von der operativen Bottom-up-Planung
der einzelnen Bereichsleiter, die Prognosen für das Jahresendergebnis und für
den Geschäftsplan des nächsten Jahres auf Plausibilität prüfen. Und gerade vor dem Hintergrund, dass die Schnelligkeit von strukturellen
Veränderungen fast immer überschätzt und das Ausmaß dagegen häufig unterschätzt wird, können die richtigen
Kennzahlen zu besseren 5-Jahres-Prognosen
führen. Diese Kennzahlen lassen sich auf einer einzigen Seite darstellen. Damit
sehen Topmanagement und Aufsichtsrat auf einen Blick, wie sich die Performance
des Verlages entwickelt und können bei Bedarf gezielt intervenieren. Durch die
Kommentierungspflicht der Kennzahlen durch die Bereichsleiter, parallel zum
monatlichen operativen Reporting, verbessert sich kontinuierlich das Wissen
über die Wirkungsmechanik und die Entwicklungsdynamik Ihres Marktsegments.
Letztendlich können Sie das System Schritt für Schritt zu einer rollierenden 5-Jahresplanung
weiterentwickeln und so die mittelfristige Unternehmensentwicklung schneller an
die Veränderungsdynamik des Marktes anpassen.