Sonntag, 17. Oktober 2010

These 8: Nur Relevanz und Nutzen zählen - Der Kunde ändert seine Gewohnheiten nicht gerne

Der Kunde ist wie wir selbst. Auch wir änderen unsere Gewohnheiten nicht gerne. Gewohnheiten haben nämlich einen großen Vorteil: Sie entlasten unheimlich stark. Müssten wir alle Entscheidungen täglich neu treffen, wir wären schlicht nicht überlebensfähig. Unsere Gewohnheiten und Gewissheiten sind unsere Geheimwaffe zur Reduktion der Komplexität unserer Umwelt, privat wie beruflich. Deshalb ändern wir uns ungern und meist nur in langen Zeitwellen.

Manchmal ändern wir unsere Gewohnheiten jedoch abrupt. Die Auslöser ähneln sich fast immer: Entweder war es ein Krisen-Ereignis oder ein Heureka-Erlebnis. Was können wir daraus lernen?  Wennn Sie Produkte und Leistungen verbessern, nimmt der Kunde dies erst wahr, wenn es für ihn persönlich relevant ist. Und eine Änderung seines (Kauf- und Nutzen-) Verhaltens kommt nur zustande, wenn der daraus resultierende Nutzen signifikant  höher ist. Drei Beispiele mögen dies illustieren.

Als Anfang der 1980iger Jahre der WEKA Verlag das Loseblattwerk in Form des WEKA-spezifischen Loseblattwerks neu erfand, war das Loseblattwerk als verlegerisches Modell schon fast 100 Jahre alt und der Loseblatt-Markt unter den etablierten Verlagen fest verteilt. Durch die konsequente und radikale Spezialisierung auf dieses neue WEKA-Loseblattkonzept (Aktualität, Praxisnutzen, One-Stop-Shop),entwickelte sich WEKA bis Mitte der 1990iger Jahre zum größten deutschen Fachinformationsverlag. Mit dem beginnenden Medienwandel Ende der 1990iger Jahre verlor dieses Print-Modell langsam, aber unaufhaltbar, ganz ähnlich wie zum Beispiel die Print-Zeitung, seine frühere Nutzenkraft. Das Internet ermöglichte neue Formen  für Aktualität, Praxis-Nutzen und One-Stop-Shop mit signifikant höherem Nutzenpotenzial. Diese waren mit der blosen Kopie des alten (Print-)Modells nicht einlösbar.

Als 2007 Apple das iPhone auf den Markt brachte, schien der Markt unter den etablierten Handy-Herstellern bereits wohl verteilt und unangreifbar. Doch innerhalb von nur zwei Jahren änderte sich das drastisch. Heute ist das iPhone der Benchmark für das mobile Internet.

Beiden Beispielen gemeinsam ist, dass die Firmen ihre Produktkategorie nicht erstmals neu erfunden haben, diese nicht einfach kopiert haben, sondern das gesamte originäre Nutzenpotenzial der Katorie für die Kunden konsequent erforscht und umgesetzt haben. Dies führte zu einem signifikant hoheren Nutzen und nachhaltigem Wachstum, einerseits durch Verdrängung der first mover, andererseits durch die Erschließung neuer Kundengruppen und neuer Anwendungssituationen. Gerade die kurze Geschichte der Neuen Medien ist voll mit Beispielen, bei denen die heutigen Marktführer nicht die ersten in ihrer Kategorie waren, sondern durch radikales Weiterdenken aus Sicht der Kundenprozesse,  das Nutzenpotenzial weit über die ursprünglichen Pionier-Produktfähigkeiten hinaus entwickelt haben.

Drittes Beispiel, das iPad. Eine neue Kategorie oder die logische Weiterentwicklung und Integration der Kategorie Handy oder eBook? Es lohnt nicht, über akademische richtige Zuordnung zu diskutieren. Was zählt ist der Erfolg. Und zu verstehen, worin der neue, signifikante Nutzenmehrwert liegt.

Das Risiko der First Mover liegt stets in ihrer hohen Produktfixierung. Angestachelt vom großen Erfolg der ersten Stunde, versuchen sie ihr Produkt weiter zu verbessern. Die Nachzügler kann man in zwei Lager unterteilen: die Kopierer und die Neu-Erfinder. Letzere versuchen mit den Augen des Kunden das gesamte Nutzen-Potenzial der neuen Produktkategorie über alle Geschäftsprozesse der Kunden zu erkennen und dann die Kategorie weiterzuentwickeln.

Kehren wir zurück zum Verlegermarkt. Digitalisierung und Internet brechen die von Print geprägten Mediengattungen auf und ermöglichen vollkommen neue Medienstrategien und Medienkategorien. Zunächst noch in Konkurrenz zu den alten Kategorien. Doch sobald neue Ansätze die signifikante Mehrwerthürde übersprungen haben, lösen Sie sich vom Vergleich mit der alten Kategorie und entwickeln ein originäres neues Geschäftsfeld.

"Der Leser kauft keine Bücher, erwirbt keine Produkte mehr - er kauft Themen", habe ich unlängst in einem bekannten Newsdienst als wichtigen Trend für 2011gelesen. Das geht schon ein kleines Stück vom herkömmlichen Produktdenken weg und soll den Print-Verleger zum crossmedialen "Information on Demand"-Verleger motivieren. Es geht jedoch noch nicht weit genug. Zumindest der Fachinformationskunde, aus meiner Sicht jedoch jeder Verlagskunde,  kauft Inhalte nicht um des Inhalts willen, weder in Papierform, noch in digitaler Form. Er kauft das Thema als Mittel zum Zweck. Was ist der funktionale Zweck, der konkrete Anwendungsnutzen, muss die Ausgangsfrage werden. Die Antworten unterscheiden sich nicht nur nach Kundengruppen, sondern auch nach Kundenkontext. Dies ist der einzig mögliche Weg, neuem Nutzen auf die Spur zu kommen.

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