Samstag, 15. September 2012

Strategisches Controlling für Fachverlage - Erfolgreich navigieren im Medienwandel

Wie hoch ist eigentlich der Marktanteil der neuen Medien in 2011 gewesen? Und wie hoch wird er in 2012 und 2013 sein? Und wie hoch ist Ihr Marktanteil? Im Bereich der neuen Medien, im Bereich der Printmedien? Insgesamt und in den einzelnen Geschäftsfeldern und Marktsegmenten? Wächst dieser schneller oder langsamer als der Markt und was bedeutet das für Ihren Verlag? Strategisches Controlling sollte die Antworten auf solche Fragen geben.

Das operative Controlling sagt uns: Werden wir unser Jahres-Ziel erreichen und wie hoch wird die Abweichung nach oben oder unten ausfallen? Die entscheidende Frage ist: Ab wann spätestens muss diese Antwort vorliegen und wie genau? Bereits Ende des ersten Quartals oder reicht es, wenn wir Ende November wissen, ob wir unser Jahres-Ziel z.B. auf plus/minus 1-2% erreicht haben? Je früher, desto bester, lautet die plantonische Antwort, im Idealfall aber so früh, dass Sie noch rechtzeitig durch neue Maßnahmen gegensteuern können.  

Was bedeutet es nun, wenn Ihre operativen Controlling-Daten im September vorhersagen, dass Sie Ihren Gesamt-Umsatz  für das laufende Geschäftsjahr zum Beispiel um 10% überschreiten werden? Alles wunderbar? Kann sein, muss nicht sein. Denn, der Bewertungsrahmen für die Qualität des Jahresziels ergibt sich allein aus dem Markt- und Wettbewerbsumfeld und nicht aus der eigenen Vergangenheit. Wenn Ihre direkten Wettbewerber Ihren Umsatz zum Beispiel „nur“ um 5% gesteigert haben, dann vielleicht wunderbar. Muss aber nicht sein. Es könnte sein, dass neue oder indirekte Wettbewerber, die Sie bislang nicht auf Ihrem Marketingradar hatten, Ihren Umsatz um 50% gesteigert haben und der Gesamtmarkt um 15% gewachsen ist. In diesem Fall muss man konstatieren, dass sie trotz 10% Umsatzplus Marktanteile verloren haben. Dann nicht mehr wunderbar? Auch das kann man noch nicht sagen, vielleicht haben Sie Ihren Gesamt-Umsatz ja nur deshalb lediglich um 10% steigern können, da Sie bestimmte Geschäftsfelder veräußert oder unrentable Vertriebswege eingestellt haben und Ihr Ziel in der Erhöhung  des Umsatzes je Kunde bestand.

Woran also die Bewertung „erfolgreich“ festmachen? Traditionellerweise halten wir uns hierbei an der eigenen Vergangenheit fest. Jahrelang  war dies auch ok, ist auch weiterhin ok, aber nur in Märkten, die keinem strukturellen Wandel unterworfen sind. Von struktureller Stabilität sind die Medienmärkte allerdings heute weit entfernt.

Woran also „erfolgreich“ festmachen? Durch den Bezug zum Gesamtmarkt. Und zwar zum Gesamtmarkt von heute und morgen. Denn, heute erfolgreich, zählt in einem Jahr schon nichts mehr. Damit sind wir beim strategischen Controlling und bei der Verlagsstrategie. Die Strategie soll festlegen, welche Ziele der Verlag künftig erreichen möchte oder aufgrund betriebswirtschaftlicher Zwänge muss. Das strategische Controlling soll sicherstellen, dass wir auch zukünftig erfolgreich sind, analog zum operativen Controlling, das sicherstellen soll, dass wir die Ziele des aktuellen Geschäftsjahres erreichen. Ob künftig nun 5 Jahre oder drei Jahre oder 10 Jahre bedeutet, ist je nach Marktsegment unterschiedlich und muss im Rahmen der Strategie festgelegt werden.

Viele Verlage  haben ein dezidiertes Planungsritual, anhand dessen der Umsatz- und Budgetplan  für das Folgejahr erarbeitet wird. Das  Ziel lautet in der Regel: Aktuelle Marktstellung halten oder ausbauen. Das übliche Vorgehen ist, dass der aktuelle Jahresplan einfach fortgeschrieben wird und in einzelnen Bereichen, aus intuitivem Erfahrungswissen heraus, Entwicklungen abgeschwächt oder verstärkt werden. Häufig fordert die Geschäftsleitung über den Geschäftsplan des Folgejahres hinausgehend auch einen „strategischen“ 5-Jahresplan. Allein an der Formulierung 5-Jahresplan spüren Sie schon, dass Sie das oftmals nicht mehr so ernst oder genau nehmen, wie das operative Controlling. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt, sagt schon der Volksmund.  An dieser Stelle muss man jedoch klar unterscheiden: Sprechen wir von Zielen auf Produkt-/Objektebene oder Unternehmensebene. Auf der Unternehmensebene sind verlässliche mehrjährige Umsatz- und Kostenprognosen fast immer für die Unternehmensfinanzierung unverzichtbar.

Häufig wird der sogenannte „strategische“ 5-Jahresplan nur auf der (aggregierten) Verlagsebene erstellt und nicht differenziert nach Produktgruppen, Programmen oder Produkten. An dieser Stelle sind wir dann beim Thema mangelhafte Strategieumsetzung. Warum Strategien oft „versanden“, liegt fast immer daran, dass wir den Weg zu den längeren Zielen nicht operativ definieren und die erforderlichen Schritte auf dem Weg dorthin vorausplanen. Die Planung wird üblicherweise im 4. Quartal unter Zeitdruck erstellt, danach konzentriert man sich auf das Jahresendgeschäft und zu Beginn des nächsten Jahres  ist man wieder gut damit beschäftigt, die aktuellen Jahresziele zu erreichen. Dieses Vorgehen ist natürlich weder eine Strategie noch eine Strategieumsetzung, sondern ein sich-treiben-lassen vom Tagesgeschäft.

Eine gute Strategie muss nicht nur das Ziel beschreiben, sondern auch die erfolgskritischen und messbaren Meilensteine auf dem Weg zum Ziel. Und eine gute Strategie muss, unter Bezug auf die Marktstruktur und die Wettbewerber, aufzeigen, ob die Ziele realistisch sind. So kann zum Beispiel ein 5-Jahresziel bezogen auf den Anteil von Tablet-eBooks nur realistisch sein, wenn klar ist, dass sich der Verbreitungsgrad der Tablets entsprechend erhöht. Die strategischen Ziele müssen also auf die konkrete Produktebene heruntergebrochen werden. Es funktioniert nicht, wenn Sie beispiels-weise nur planen: in 5 Jahren soll der Anteile an neuen Medien X % betragen. Erst wenn Sie die Planungen auf der Produktebene konkretisieren, welche Medien genau, eBooks, für welche Geräte, Betriebssysteme, Online-Portale, welche Inhalte, welche Zielgruppen, welche Angebotsmodelle, welche Preise, können Sie über eine „Rückwärts-Modellierung“ berechnen, ob die gesetzten Ziele über die Zeitschiene realistisch sind. Dieser Aufwand erscheint vielen Verlagen oft zu hoch.

Doch erst auf der konkreten Ebene können wir mit intuitiven Heuristiken  bewerten, ob die getroffenen Annahmen riskant, optimistisch oder pessimistisch sind. Dazu benötigen wir Kennzahlen, die einerseits die künftige Markt-entwicklung abbilden und andererseits unsere relative Stellung dazu. Markt- und Zielgruppen-Strukturkennzahlen sind das Fundament jeder Marketingabteilung und müssen kontinuierlich aktualisiert werden. Darauf aufbauend können dann mit Hilfe von Verhältniskennzahlen realistisch mögliche Abschöpfungs-Szenarien berechnet werden. Zum Beispiel: Durchschnittsumsatz/-Kosten je Kunde, je Verkauf oder Durchschnittsverkäufe je Kunde, je Vertriebsaktion, Durchschnittspreise je Produkt/Produktlinie, differenziert nach Produktkategorie, Zielgruppensegmenten, Vertriebskanälen, Regionen und aggregiert auf der Bereichs- und Verlagsebene. Dadurch erhalten sie, parallel und unabhängig von der oben geforderten bottom-up Planung  eine alternative Umsatz- und Ergebnismodellierung. Dies ist gerade bei großen Verlagshäusern mit vielen unterschiedlichen Geschäftsfeldern für Geschäftsleitung und Aufsichtsrat ein gutes Instrument, mit wenig Aufwand die Vielzahl der einzelnen bottom-up Planungen der einzelnen Unternehmensbereiche auf Plausibilität zu prüfen.

Mit Hilfe psychologischer Preisbarrieren und Preiserwartungen können Sie bottom-up Planungen auf sowohl zu optimistische als auch zu pessimistische Annahmen überprüfen. Beides ist für eine an den tatsächlichen Marktchancen orientierte Unternehmensentwicklung schädlich. Das strategische Ziel lautet: alle realistischen Chancen zu erkennen und umzusetzen. Nur das garantiert, dass man die bisherige Marktposition halten oder ausbauen kann.

Damit die (strategischen) 5-Jahresziele nicht aus den Augen verloren und die Meilensteinschritte kontinuierlich abgearbeitet werden, müssen also diese ebenso regelmäßig sichtbar gemacht  werden, wie das operative Controlling die Entwicklung des aktuellen Geschäftsjahres sichtbar macht. Operatives und strategisches Controlling sind damit zwei Seiten einer Medaille.  Denn wie gesagt, der heutige Erfolg ist kein Wegweiser für den Erfolg von Morgen.

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