Das operative Controlling sagt uns: Werden
wir unser Jahres-Ziel erreichen und wie hoch wird die Abweichung nach oben oder
unten ausfallen? Die entscheidende Frage ist: Ab wann spätestens muss diese
Antwort vorliegen und wie genau? Bereits Ende des ersten Quartals oder reicht
es, wenn wir Ende November wissen, ob wir unser Jahres-Ziel z.B. auf plus/minus 1-2% erreicht haben? Je früher,
desto bester, lautet die plantonische Antwort, im Idealfall aber so früh, dass
Sie noch rechtzeitig durch neue
Maßnahmen gegensteuern können.
Was bedeutet es
nun, wenn Ihre operativen Controlling-Daten im September vorhersagen, dass Sie
Ihren Gesamt-Umsatz für das laufende
Geschäftsjahr zum Beispiel um 10% überschreiten werden? Alles wunderbar? Kann
sein, muss nicht sein. Denn, der Bewertungsrahmen für die Qualität des Jahresziels
ergibt sich allein aus dem Markt- und Wettbewerbsumfeld und nicht aus der
eigenen Vergangenheit. Wenn Ihre direkten Wettbewerber Ihren Umsatz zum
Beispiel „nur“ um 5% gesteigert haben, dann vielleicht wunderbar. Muss aber
nicht sein. Es könnte sein, dass neue oder indirekte Wettbewerber, die Sie
bislang nicht auf Ihrem Marketingradar hatten, Ihren Umsatz um 50% gesteigert
haben und der Gesamtmarkt um 15% gewachsen ist. In diesem Fall muss man konstatieren,
dass sie trotz 10% Umsatzplus Marktanteile verloren haben. Dann nicht mehr
wunderbar? Auch das kann man noch nicht sagen, vielleicht haben Sie Ihren
Gesamt-Umsatz ja nur deshalb lediglich um
10% steigern können, da Sie bestimmte Geschäftsfelder veräußert oder unrentable
Vertriebswege eingestellt haben und Ihr Ziel in der Erhöhung des Umsatzes je Kunde bestand.
Woran also die
Bewertung „erfolgreich“ festmachen? Traditionellerweise halten wir uns hierbei
an der eigenen Vergangenheit fest. Jahrelang war dies auch ok, ist auch weiterhin ok, aber
nur in Märkten, die keinem strukturellen Wandel unterworfen sind. Von
struktureller Stabilität sind die Medienmärkte allerdings heute weit entfernt.
Woran also
„erfolgreich“ festmachen? Durch den Bezug
zum Gesamtmarkt. Und zwar zum Gesamtmarkt von heute und morgen. Denn, heute erfolgreich, zählt in einem Jahr schon
nichts mehr. Damit sind wir beim strategischen Controlling und bei
der Verlagsstrategie. Die Strategie soll festlegen, welche Ziele der Verlag
künftig erreichen möchte oder aufgrund betriebswirtschaftlicher Zwänge muss.
Das strategische Controlling soll sicherstellen, dass wir auch zukünftig erfolgreich sind, analog zum
operativen Controlling, das sicherstellen soll, dass wir die Ziele des
aktuellen Geschäftsjahres erreichen. Ob künftig nun 5 Jahre oder drei Jahre
oder 10 Jahre bedeutet, ist je nach Marktsegment unterschiedlich und muss im
Rahmen der Strategie festgelegt werden.
Viele Verlage haben ein dezidiertes Planungsritual, anhand dessen
der Umsatz- und Budgetplan für das
Folgejahr erarbeitet wird. Das Ziel
lautet in der Regel: Aktuelle Marktstellung halten oder ausbauen. Das übliche
Vorgehen ist, dass der aktuelle Jahresplan einfach fortgeschrieben wird und in
einzelnen Bereichen, aus intuitivem Erfahrungswissen heraus, Entwicklungen
abgeschwächt oder verstärkt werden. Häufig fordert die Geschäftsleitung über
den Geschäftsplan des Folgejahres hinausgehend auch einen „strategischen“ 5-Jahresplan.
Allein an der Formulierung 5-Jahresplan spüren Sie schon, dass Sie das oftmals
nicht mehr so ernst oder genau nehmen, wie das operative Controlling. Erstens
kommt es anders, zweitens als man denkt, sagt schon der Volksmund. An dieser Stelle muss man jedoch klar
unterscheiden: Sprechen wir von Zielen auf Produkt-/Objektebene oder Unternehmensebene.
Auf der Unternehmensebene sind verlässliche mehrjährige Umsatz- und
Kostenprognosen fast immer für die Unternehmensfinanzierung unverzichtbar.
Häufig wird der
sogenannte „strategische“ 5-Jahresplan nur auf der (aggregierten) Verlagsebene
erstellt und nicht differenziert nach Produktgruppen, Programmen oder
Produkten. An dieser Stelle sind wir dann beim Thema mangelhafte Strategieumsetzung. Warum Strategien oft
„versanden“, liegt fast immer daran, dass wir den Weg zu den längeren Zielen
nicht operativ definieren und die erforderlichen Schritte auf dem Weg dorthin
vorausplanen. Die Planung wird üblicherweise im 4. Quartal unter Zeitdruck erstellt,
danach konzentriert man sich auf das Jahresendgeschäft und zu Beginn des nächsten
Jahres ist man wieder gut damit
beschäftigt, die aktuellen Jahresziele zu erreichen. Dieses Vorgehen ist
natürlich weder eine Strategie noch eine Strategieumsetzung, sondern ein sich-treiben-lassen
vom Tagesgeschäft.
Eine gute
Strategie muss nicht nur das Ziel beschreiben, sondern auch die
erfolgskritischen und messbaren Meilensteine auf dem Weg zum Ziel. Und eine
gute Strategie muss, unter Bezug auf die Marktstruktur und die Wettbewerber, aufzeigen,
ob die Ziele realistisch sind. So kann zum Beispiel ein 5-Jahresziel bezogen
auf den Anteil von Tablet-eBooks nur realistisch sein, wenn klar ist, dass sich
der Verbreitungsgrad der Tablets entsprechend erhöht. Die strategischen Ziele
müssen also auf die konkrete Produktebene heruntergebrochen werden. Es
funktioniert nicht, wenn Sie beispiels-weise nur planen: in 5 Jahren soll der
Anteile an neuen Medien X % betragen. Erst wenn Sie die Planungen auf der
Produktebene konkretisieren, welche Medien genau, eBooks, für welche Geräte,
Betriebssysteme, Online-Portale, welche Inhalte, welche Zielgruppen, welche
Angebotsmodelle, welche Preise, können Sie über eine „Rückwärts-Modellierung“
berechnen, ob die gesetzten Ziele über die Zeitschiene realistisch sind. Dieser
Aufwand erscheint vielen Verlagen oft zu hoch.
Doch erst auf der
konkreten Ebene können wir mit intuitiven Heuristiken
bewerten, ob die getroffenen Annahmen
riskant, optimistisch oder pessimistisch sind. Dazu benötigen wir Kennzahlen, die einerseits die künftige
Markt-entwicklung abbilden und andererseits unsere relative Stellung dazu.
Markt- und Zielgruppen-Strukturkennzahlen
sind das Fundament jeder Marketingabteilung und müssen kontinuierlich aktualisiert
werden. Darauf aufbauend können dann mit Hilfe von Verhältniskennzahlen realistisch mögliche Abschöpfungs-Szenarien berechnet
werden. Zum Beispiel: Durchschnittsumsatz/-Kosten je Kunde, je Verkauf oder
Durchschnittsverkäufe je Kunde, je Vertriebsaktion, Durchschnittspreise je
Produkt/Produktlinie, differenziert nach Produktkategorie, Zielgruppensegmenten,
Vertriebskanälen, Regionen und aggregiert auf der Bereichs- und Verlagsebene.
Dadurch erhalten sie, parallel und unabhängig von der oben geforderten bottom-up
Planung eine alternative Umsatz- und
Ergebnismodellierung. Dies ist gerade bei großen Verlagshäusern mit vielen
unterschiedlichen Geschäftsfeldern für Geschäftsleitung und Aufsichtsrat ein
gutes Instrument, mit wenig Aufwand die Vielzahl der einzelnen bottom-up
Planungen der einzelnen Unternehmensbereiche auf Plausibilität zu prüfen.
Mit Hilfe
psychologischer Preisbarrieren und Preiserwartungen können Sie bottom-up
Planungen auf sowohl zu optimistische als auch zu pessimistische Annahmen
überprüfen. Beides ist für eine an den tatsächlichen
Marktchancen orientierte Unternehmensentwicklung schädlich. Das
strategische Ziel lautet: alle realistischen Chancen zu erkennen und
umzusetzen. Nur das garantiert, dass man die bisherige Marktposition halten
oder ausbauen kann.
Damit die
(strategischen) 5-Jahresziele nicht aus den Augen verloren und die
Meilensteinschritte kontinuierlich abgearbeitet werden, müssen also diese ebenso
regelmäßig sichtbar gemacht werden, wie
das operative Controlling die
Entwicklung des aktuellen Geschäftsjahres sichtbar macht. Operatives und
strategisches Controlling sind damit zwei Seiten einer Medaille. Denn wie gesagt, der heutige Erfolg ist kein
Wegweiser für den Erfolg von Morgen.
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