Windows 8 wird den Medienwandel von Print zur digitalen Lese- und Nutzungsplattform deutlich beschleunigen. Durch das Verschmelzen der bisher getrennten Betriebssysteme für PC und Tablets wird das Tablet vor allem im Buch- und Zeitschriftenbereich viele Leser von den Print-Ausgaben zu den Tablet-Ausgaben ziehen. Eile ist daher geboten, für alle Titel, die noch keine Tablet-Ausgabe besitzen. Doch die Folgen gehen viel weiter.
Ich möchte als
mobiler Alltagsmensch jederzeit, an jedem Ort lesen, schreiben, telefonieren, fotografieren und filmen können und
ich möchte dabei nicht ein Handy und ein Tablet und ein Notebook und einen
Fotoapparat und eine Filmkamera mitherumtragen müssen. Ich möchte ein Gerät,
das alles kann. Dafür nehme ich für unterwegs einen kleinen Bildschirm in Kauf,
zu Hause oder im Büro nutze ich aber gerne den großen Bildschirm eines
Notebooks oder eines TV-Geräts oder als ambitionierter Fotograf auch eine extra
Foto- oder Filmkamera. Und ich möchte keinesfalls jeweils verschiedene
Programme und Applikationen, je nach Geräteart nutzen müssen, das ist mir zu
kompliziert. Wenn ich diese vielen schönen Sachen nicht spontan und intuitiv
nutzen kann, dann lasse ich es einfach. So wichtig ist es dann meist doch
nicht. Deshalb bin ich zur Android-Plattform gewechselt, zumindest auf den
mobilen Geräten wie Handy und Tablet, viele andere schon vor Jahren zu iPhone und
iPad.
Für Smartphone,
eReader, Tablet, Notebook, für jede Geräteklasse eine eigene Anwendung
programmieren und dann noch zwischen verschiedenen Datenformaten und
DRM-Systemen variieren und dann noch auf
drei Plattformen, also iOS,
Android und Windows 8 anpassen? Technologisch kein Problem, aber
organisatorisch und kalkulatorisch, gerade für die kleinen Reichweiten im Markt
der Special Interests und Fachinformationen, ein klares K.O.-Kriterium. Doch es geht auch
anders, einfacher, Google hat es mit Android vorgemacht, eine Software-Plattform für alle
Geräteklassen, Microsoft hat nun mit Windows 8 nachgezogen, Apple wird in Kürze
nachziehen (müssen). Goldene Zeiten also für Verlage und
Applikationsentwickler? Endlich nur eine einzige digitale Version entwickeln
müssen, die auf allen Geräten und Systemplattformen läuft?
Nein. Es fehlt
noch was. Ich möchte als Kunde nicht nur jederzeit und überall lesen, schreiben, telefonieren,
fotografieren und filmen können, ich möchte auch jederzeit und überall Zugriff auf alle Inhalte und
Funktionen haben. Ich möchte nicht vorher überlegen müssen, welche Romane,
Reiseführer, Musiktitel oder Büroakten ich mit in den nächsten Urlaub nehme
oder auf der nächsten Zugfahrt nutzen möchte, das weiß ich vorher nicht. Und
ich möchte einen Brief oder ein Arbeitsdokument, das ich zu Hause am PC
begonnen habe, unterwegs im Zug oder im Hotel auf dem Tablet fortführen können,
genau an der Stelle, an der ich unterbrechen musste. Und ich möchte mich nicht
mit unterschiedlichsten Bestell- und Download-Prozessen in diversen Shops auf
diversen Plattformen herumschlagen müssen, wenn ich für die Bearbeitung meines
Briefes oder Arbeitsdokuments eben mal schnell in Büchern oder Zeitschriften
recherchieren muss. Technologisch ist das heute kein Problem mehr, die Lösung
heißt Cloud-Computing, aber
praktisch für normale Menschen noch beinahe unerreichbar. Das muss und kann
viel einfacher gehen. Ich möchte nur überlegen müssen: nehme ich nur einen
kleinen „Bildschirm“ (Smartphone) oder auch einen Größeren (Tablet) mit.
An diesem Punkt
kommen die noch fehlenden preisgünstigen Online-Flatrates der Internetprovider
ins Blickfeld. Doch diese werden kommen, über kurz oder lang. Die
Produktentwickler in den Verlagen können sich daher schon auf den Weg machen,
ihr bisheriges, von der Granulierung der Printwelt geprägtes digitales Weltbild
vom eBook und eMagazin-Denken auf ein Online-Denken auszuweiten. Alle Titel,
alle Inhalte, in einer einzigen großen Online-Datenbank, jederzeit aktualisierbar,
beliebig granulierbar. Bisher ist das Produkt-Denken noch immer gefangen in den
körperlichen Kategorien und Granulierungen der Print-Angebote: ein Titel, ein
eBook, eine App, ein Preis, Crossmedia-Plattform-Denken eben, mit all den
komplexen und systemspezifischen Produktions-
und Auslieferungsprozessen für die unterschiedlichen Geräte und Betriebssysteme.
Es kann nicht
sein, dass die konkurrierenden Techniksysteme das digitale Verlegen auch weiterhin
zu einer Technikwissenschaft machen. Mit dem Übergang zum Cloud-Computing
können sich die Verlage von der technischen Komplexität lösen. Der Zugang zu
den Inhalten erfolgt dann über die Internet-Browser. Ein Gateway für alle
Inhalte. Dann können sich die Verleger wieder auf das Verlegen konzentrieren,
darauf konzentrieren, das Verlegen mit den Möglichkeiten der „Cloud“ neu zu erfinden.
Dies heißt vor allem, sich bei den Angebots-modellen von der traditionellen
Granulierung des bisherigen Print- und Crossmedia-Portfolios zu lösen und zu produkt-übergreifenden
Zugangs- und Nutzungsmodellen überzugehen. Wertvoll ist, was ich nutzen kann, nicht was
ich „nur“ besitze.
Für alle Titel
ist also künftig zu prüfen: Genügt eine eBook-/eMagazin-Ausgabe für das Tablet (und
auf welcher oder welchen Betriebssystemplattformen muss diese laufen) oder
fahre ich besser, wenn ich gleich auf eine reine Online-Lösung baue. Diese
Entscheidung kann heute noch nicht pauschalierend getroffen werden, sondern
muss marktsegment-spezifisch bewertet werden.
Ein Problem
allerdings besteht. Die Online-Lösung wird nur funktionieren, wenn der Kunde Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Online-Zugangs
hat. Bei den kostenlosen, beliebig austauschbaren Inhalten im Internet haben
wir dieses Vertrauen bereits, es ist uns nur nicht bewusst. Denn wenn der
Zugang mal nicht funktioniert, auch egal, Morgen geht es schon wieder. Bei
Bezahlinhalten, bei Inhalten, wo der jederzeitige Zugang kaufentscheidend
wichtig ist, ist dies jedoch anders. Etwas, was ich auf meinen PC oder mein
Tablet heruntergeladen habe, gehört mir, ist mein Besitz, ich habe jederzeit
die Kontrolle darüber. Bei Inhalten, die auf fremden Servern irgendwo im
Internet liegen, ist das anders. Da bin ich 100ig abhängig davon, dass ich eben
jederzeit Zugang zu meinen Inhalten
erhalte, also den Inhalten, zu denen ich Zugriffsrechte erworben habe. Dies ist
ein neues Paradigma, Zugang (zur Nutzung) statt Besitz (Eigentum). Damit dies
im Breitenmarkt Fuß fassen kann, müssen
sich zwei Kundenversprechen verbinden: einerseits das Inhalts-Markenversprechen
(Qualität des Inhalts) und das Zugangs-Markenversprechen (Zuverlässigkeit des
jederzeitigen Zugangs). Dies entsteht nicht von alleine. Hier gibt es viel zu
tun. Dies hat erhebliche Folgen für die Markenführung. Dazu mehr in späteren
Blockeinträgen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen