Montag, 1. März 2010

Apple verändert alle Medien oder etwa nicht?

Oder hängen Sie eher der These an, nicht Apple sondern Apple's iPad oder Ihr persönlicher eReader-Favorit ist die neue Zukunfts-Plattform für (die traditionellen) Verlagsinhalte, der neue Königsweg in die verlegerische Zukunft.

Was halten Sie von folgender Fassung: Nicht iPad & Co., sondern das Internet verändert alle Medien und führt zu einer neuen Arbeitsteilung aller Medien. Die originären Medien-Vorteile in der digital vernetzten Welt zu erkennen und zu neuem Kundennutzen zu formen, wird neuer verlegerischer Werttreiber.

Alle Medien heißt aber auch, die bisherigen Print-Medien werden sich verändern (müssen) und tun dies ja teilweise bereits seit Jahren, oftmals schleichend, heimlich, unbemerkt. Und alle Medien heißt eben auch, die Printmedien wandern nicht bloß als digitale Kopie ins Internet, sondern erhalten einen neuen (kleineren) Platz im Orchester aller Medien.

Beispiel Tageszeitung: Ist die Tabloidzeitung noch die alte Zeitung, nur in einem neuen Format oder spielt diese bereits eine neue Melodie auf einem neuen Platz im Medienorchester2.0? Beispiel Fachbuch: Der Online-Fachkommentar. Ich meine nicht die digitale Kopie eines renomierten (Print)-Kommentars auf einer Internet-Seite nach der „expand your brand“ Strategie, sondern einen reinen Online-Rechtskommentar, der keinerlei Print-Vergangenheit besitzt, der täglich aktualisiert und konsolidiert wird und die Signalisierungsfunktion der Fachzeitschrift gleich mit übernimmt.

Beides keine leichten Entscheidungen für mutige Verlagsmanager. Das ist jedoch nicht mein Punkt. Mein Punkt ist: Sind diese Entscheidungen „getrieben“ vom Internet oder vom Tablet-PC, vom eReader, iPad oder von was oder wem eigentlich? Und, bestimmt und lenkt die Antwort auf die „Treiber“-Frage unser Bild von und unsere Suchrichtung für die Medien von Morgen?

Auch Medienmenschen sehnen sich nach dem konkreten und an-fassbaren Produkt. Einen Tablet-PC kann man anfassen und er macht eine Tabloid-Zeitung digital „lesbar“, Bücher ja sowieso, und ich kann sogar mit dem Finger sensorisch „blättern“. Also, alles endlich wunderbar, wir müssen nur noch einige wenige, wenn auch schwierige handwerkliche Detailprobleme lösen, wie Kopierschutz, Formate-Wirrwahr und vernünftige Konditionen mit Apple & Co. aushandeln. Ja, war’s das dann schon mit dem Medienwandel?

Ja, wenn Ihr Bild von der digitalen Medienzukunft von den technischen Gadgets bestimmt und gelenkt und limitiert wird, dann war’s das schon. Aber wenn Sie zum Beispiel mit Gary Hamel meinen: „Das, was wir bereits zu wissen glauben, hält uns vom Lernen ab“, dann keinesfalls. Dann stehen Sie weiter vor einer rätselhaften Medienzukunft. Aber eben auch vor einer (noch) offenen und entdeckbaren Zukunft, mit allen Risiken und Chancen des Pioniers. Das macht die Sache schwierig und ungemütlich, gerade wenn die Print-Umsätze immer wieder an neuen Grenzkostenschwellen nagen und die Bankgespräche schwieriger werden.

Nein, Sie lassen sich nicht von Steve Jobs und dessen technischen User-Interfaces treiben, Sie lassen sich von Ihren Kunden treiben? Wunderbar, oder nur, auch o.k.? Wie oft treffen Sie sich denn persönlich mit Ihren Kunden und über was sprechen Sie mit ihnen? Über iPad oder über das Internet? Oder über ihre Informationsbedürfnisse oder darüber, wie das Internet ihre Geschäftsprozesse verändern wird? Und haben Sie und Ihre Kunden eigentlich das gleiche Bild vom Internet und dessen Potenzial für die Geschäftsprozesse von Morgen? Leider ist auch herkömmliche Marktforschung heute nicht mehr das, was es noch vor wenigen Jahren war.

Ich fürchte daher, es gibt keine einfachen Fragen und Antworten mehr für die künftigen Verlegerpioniere. Wenn Sie verlegerische Pionierarbeit auf den Weg bringen wollen, dann müssen Sie von der konkreten Produktebene abstrahieren und die prozessuale Funktionalität hinter den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und des Internets suchen und sehen. Drei Innovationszauberwörter, so meine Sicht, können Ihnen dabei behilflich sein: Verlinkung, Vernetzung, Skalierung. Sie könnten von mir aus auch sagen: Apple, Google, Facebook. Diese drei Zauberwörter haben diese Firmen und ehemaligen Nicht-Verlage groß gemacht.

Apple verlinkt uns mit den Songs und Google mit den Inhalten (über alle Verlagsgrenzen hinweg), die für uns persönlich relevant sind, Facebook vernetzt uns mit den Menschen, die (für) uns wichtig sind und alle zusammen, tun dies mit einer Produktionsplattform und einem User-Interface, die weltweit skaliert werden. Eine Plattform, ein Produktionsprozess für Zig-Millionen Kunden, das ist der Maßstab für die Wertschöpfungseffizienz in diesem Jahrhundert. Auch der VW-Konzern zum Beispiel hat dies nun erkannt, wie heute das Handelsblatt berichtet, und will ab 2011 mit einem modularen Querbaukasten (MQB) eine gemeinsame Trägerplattform für alle Kleinwagen-Marken des Konzerns schaffen, und mit rund 3,5 Millionen Einheiten pro Jahr der Konkurrenz das Fürchten lehren. Man stelle sich das mal vor, die Verlage würden für alle Ihre Zeitungen oder Zeitschriften oder Bücher eine einzige identische „Produktionsplattform“ einsetzen, anstatt für jedes einzelne Print-Produkt eine eigene digitale Kopie ins Internet stellen. Die Skaleneffekte wären gewaltig. Oder gar noch exotischer: Mehrere konkurrierende Verlage würden ihren Wettbewerb auf die Inhaltsebene beschränken und auf der technischen Plattform- und Produktionsebene gemeinsame Sache machen, anstatt für Auflagen weit unter der Millionengrenze für jedes Inhaltspaket, für jede Zeitung, ein eigenes User-Inferface mit millionenschweren Etats basteln. Unvorstellbar?

Sicherlich, wenn Sie sich Ihre Anregungen für die Verlagsprodukte von Morgen nur beim Wettbewerb abschauen. Doch Sie haben immer zwei Optionen: Nämlich schauen, was die Konkurrenz macht und möglichst schnell kopieren oder etwas neu erfinden. Beim neu erfinden ist der Blick über den eigenen Branchenzaun jedoch viel hilfreicher. Doch vergessen Sie ihre Kunden nicht. Warum schauen Sie nicht gemeinsam mit den Kunden über den Tellerrand? Denn gerade beim Verlinken und Vernetzen sind Sie auf die Hilfe der Kunden existenziell angewiesen.

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